Die Schaukel im Wald

Sie zog den zerfetzten Mantel enger um die schmalen Schultern. Sie fror. Die Müdigkeit ließ sie schon seit Tagen nicht mehr los. Vom Hunger gar nicht zu reden. Sie warf einen verstohlenen Blick auf den Mann an ihrer Seite, der sich nichts anmerken lassen wollte. Er schritt so zuversichtlich aus, wie zu Beginn ihrer Reise, ihres Abenteuers, ihrer Odyssee. Sie wussten beide: wenn er zusammenbrach, war es vorbei.

Sie waren der Enge und der Kontrolle der letzten Menschensiedlungen entflohen, hatten ihr Leben aufs Spiel gesetzt beim Treck durch die verwüsteten Landstriche, die sich mit verseuchten Flächen abwechselten, die umgangen werden wollten. Beide hatten nicht verheilte Wunden, die von ihren Zusammenstößen mit anderen Wilden zeugten. Wilde, das waren sie jetzt auch. Sie waren zu Ausgestoßenen, Parias geworden in dem Augenblick, in dem sie die schützenden Mauern verließen. Ein Zurück gab es nicht mehr.

Sie hatten den Handkarren, der ihr ganzes Hab und Gut trug, am Waldrand zurück gelassen, ihn gut versteckt. Ohne die Besitztümer darin, war ein Neuanfang nicht möglich. Ein wenig warme Kleidung für die erste Zeit, das kostbare Werkzeug, Samen, ein wenig Küchengerät.

Tagetief waren sie in den Wald eingedrungen, nachttief weiter gewandert, weit fort von anderen. Nun hofften sie, dass ihnen ein Zeichen erschiene, zu zeigen, an welchem Platz sie sich niederlassen sollten.

Es war Frühjahr und ab und zu lugte ein Buschwindröschen aus dem trockenen Laub. Sie bückte sich, um mit klammen Fingern die zarten Blüten zu berühren. Wie schön sie waren und welch wundervolles Zeichen für neues Leben. Der Boden wurde feuchter. Bald  liefen sie über einen niedrigen, grünen Teppich aus gelbem Scharbockskraut, zartblauen Violen und gelben Schlüsselblumen.

Den Bach hörten sie, bevor sie ihn sahen. Das Wasser war klar. Sie kosteten es. Es schmeckte köstlich. Ein paar Schritte weiter öffnete ich die Lichtung. Junge, schmale Birken und Buchen säumten sie. Am Bach wuchsen ein paar alte knorrige Eichen.

Sie sahen sich an. War es hier? Sie legte eine Hand auf ihren Bauch, als wolle sie das Leben fragen, das in ihr wuchs. Ihre Augen wanderten über den Rand der Lichtung. Dann sah sie sie. Hochgezogen in einen Baum, wie um sie vor unbefugtem Zugriff zu schützen: eine Schaukel. Eine Kinderschaukel. Bemoost und alt, aber mit Liebe gebaut. Und sie wussten, das war der Ort.

Ein Jahr später

Sie trat barfuß aus der Tür der kleinen Hütte und betrat den Teppich aus Violen, Scharbockskraut und Buschwindröschen. Unten am Bach füllte sie den Wassereimer und ließ ihren Blick über den umzäunten Garten auf der anderen Bachseite wandern. Sie hatten den Garten auf der anderen Seite angelegt, um nicht den Blumenteppich zu zerstören, in dessen Mitte sie die winzige Hütte gebaut hatten. Dieses Jahr würde es besser werden. Die kleine Familie war nur noch Haut und Knochen nach diesem Winter. Aber sie hatten überlebt. Er trug den hungrigen Jungen auf dem Arm, als er aus der Hütte trat und kam mit ihm hinunter zum Bach. „Wir müssen eine Ziege besorgen“, meinte er. „Besser zwei“, seufzte sie. „Aber es ist einfach zu gefährlich hinaus zu gehen.“

Sie nahm den Jungen und lief mit ihm zur Schaukel, die neben dem Hütte am Ast einer kleinen Eiche hing. Sie hatte sie vom Moos befreit und das Holz poliert, bis es glänzte. Sie setzte ihn in den Korb, sicherte den Kinderkörper mit der Stange vor dem Bauch und begann der Schaukel kleine Stöße zu geben. Bald juchzte der Kleine vor Vergnügen.

Ihr Gesicht rötete sich vor Freude, als sie ihm zusah. Hunger würde sie nicht umbringen. Es gab noch Nüsse vom Winter und ein paar Kartoffeln und bald schon frische Kräuter und Walderdbeeren. In ihren Fallen saßen oft genug Hasen oder Kaninchen. Sie blickte der Schaukel nach, wie sie in die Bäume hoch schwang, vor und zurück. Und jedes Mal berührte sie den Himmel. Sie würden es schaffen.

Wieder so ein erstaunlicher Fund mitten im Wald. Eine Kinderschaukel? Ein Transportkorb? – hochgezogen in einen Baum. Es hängt etliche Meter über dem Boden. Wer hat es dort oben an den relativ dünnen Ast geknotet? Und wie? An diesem Ast kann es wohl kaum gehangen haben. Und es ist durchaus wertig gearbeitet. Die seitlichen Vertikal Elemente sind in unterschiedlicher Weise gedrechselt.

Ehrlich, dazu fiel mir spontan gar nichts ein. Also musste ich da wohl eine Geschichte erfinden. Wenn ihr euch etwas zu diesem Fund vorstellen könnt, freue ich mich auf eure Ideen und Geschichten.

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