Es war einfach erforderlich, mein Bücherregal zu entlasten, ehe es aufgeben würde und in sich zusammenfallen. Bücher finden bei mir nicht nur im Regal, sondern sozusagen in jeder Lücke ein Zuhause. Aber nun musste aussortiert werden.


Es gibt tatsächlich seit meinem Einzug hier eine grobe Vorsortierung: die absoluten Lieblinge, die nie wegfliegen, eine kleine Sammlung antiker Bücher aus der Zeit, als man noch schöne Einbände liebte, eine Abteilung Gedichte…
Da aber beim Auswählen der Bücher für den Öffentlichen Bücherschrank überall Lücken entstanden, war es nötig, fast alles einmal anzufassen.
Da ich nun gerade von der Insel kam und Christianes Rilke Gedicht am einem Montag den letzten Ausschlag gab, bastelte ich mir auch gleich eine „Meeresbibliothek“. Das verlangt natürlich eine ganz persönliche Definition.
Hier gibt es ausschließlich halbwegs aktuelle Belletristik. Sach- und Fotobücher und die Klassiker würden es einfach sprengen. Mir ist bewusst, dass hier außerdem ganze Kategorien fehlen, wie die endlosen Meereswesen aus Fantasy oder Romantasy oder New Adult. Ach, und die in Serie geschriebenen Küstenkrimis findet man hier auch nicht.
Zudem muss mir das Buch gefallen haben, es muss sich also überhaupt in meinem Schrank befinden und gelesen worden sein. Nun sind wir langsam bei einer beschreibbaren Anzahl an Büchern.
Ich fange heute mal an. Vielleicht findet ja jemand mit Inselwahn und Meeressucht wie ich noch ein Geschenk.
Dörte Hansen: Zur See
Dieses Buch hat für mich jeden Preis verdient, den es gewonnen hat. Wer Nordseeinseln kennt, liebt und sich auch ein wenig mit Geschichte beschäftigt hat, kann gar nicht anders als beim Lesen ständig vor sich hin zu nicken. Die tolle Schreibe tut ein übriges. Mit höchstem Geschick webt die Autorin ein Gespinst aus Menschen, Typen, Geschichte und Geschichten, aus Treibgut, Walen, Beziehungen und Meeresluft um den Leser herum. Nimmt ihn mit. Und man folgt glücklich und hofft, es höre niemals auf. Auf der Rückklappe kommentiert der Tagesspiegel: Dieser Roman enthält die komplette DNA einer deutschen Nordseeinsel. So isses.
Catherine Poulain: Die Seefahrerin

„Man sollte immer nach Alaska unterwegs sein. Wozu ankommen?“ Und doch kommt die zarte Hauptfigur irgendwann an. In Alaska. Zum Fischen. In einer harten, rauen Männerwelt am Rande des Erträglichen. Sie nimmt alles in Kauf für ihre Meeressehnsucht, ihre Freiheitsliebe. Immer weiter raus. Hier gibt es kein romantisches Wellengeplätscher, das Meer kommt mit aller Wucht. Und hinterlässt Scherben. Sie kann nicht drein geben, auch nicht für die Liebe: „Weil ich nämlich kein Haus will, …ich will ein Leben.“ Vieles ist schräg, kaputt, deprimierend in dieser Geschichte. Vieles faszinierend. Die Sprache ist so rau und gerade wie die Geschichte. Lieben konnte ich die Geschichte nicht, aber ihr atemlos und ungläubig folgen bis zum Schluss.
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E. Annie Proulx Schiffsmeldungen

Gehört ja fast schon zu den Klassikern. Pulitzer Preis. Verfilmt. Eine tragisch komische Geschichte, ein alleinerziehender Vater mit Angst vor dem Wasser, eigentlich ein kompletter Loser, eine sehr alte, herbe Tante und das Haus ihrer Vorfahren am Quoyles Point in Neufundland. Dazu eine altmodische Lokalzeitung und jede Menge Typen und Schiffe. Die spröde Sprache spiegelt perfekt das Leben zwischen Eis, Kälte und sehr, sehr viel Meereswasser, sie eignet sich perfekt für das Leben, das die Menschen am Rande der Welt führen. Nach vielen tragischen Ereignissen gibt es Hoffnung: „…wenn ein Vogel mit einem gebrochenen Genick wegfliegen konnte, was mochte dann sonst alles noch möglich sein? Wasser konnte älter sein als Licht, Diamanten in heißem Ziegenblut zerspringen, Berggipfel kaltes Feuer von sich geben, Wälder mitten im Ozean auftauchen, es kann passieren, dass ein Krebs mit dem Schatten einer Hand auf dem Rücken gefangen wird, dass der Wind in einem Stück verknoteter Schnur eingesperrt wird. Und es mag sein, dass die Liebe manchmal ohne Scherzen und Elend kommt.“
Kai Meyer: Die Wellenläufer Trilogie
Abenteuer und Fantasy mit wirklich kreativen Ideen. Ein Jugendbuch, das nicht langweilig wird. Eine einfache Sprache, aber Quappen, die über Wellen laufen, Geisterhändler und Muschelmagie machen das locker wett. Das Ganze spielt im Piratenmilieu, auch mal etwas anderes.
Roxanne Bouchard: Der dunkle Sog des Meeres
Krimi, Seemannslied, Liebesgeschichte oder Familiendrama? Ganz viel Meer gibt es auf jeden Fall in diesem Buch. Definitiv kein Mainstream Krimi. Nicht ganz klischeefrei, lohnt es sich doch, sich mit etwas Geduld durch diese Geschichte treiben zu lassen, die in einem kleinen Dorf in Kanada spielt.
Kiran Millwood Hargrave: Vardo
1617 verschlingt ein Sturm alle Männer der norwegischen Insel Vardø gegenüber von Spitzbergen. Nach tiefer Verzweiflung beschließen die Frauen, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Über Ihre Rollen hinaus, übernehmen sie auch den Part der Männer, ihre einzige Chance, nicht zu verhungern. Aber nicht allen behagt, dass sich die Frauen zu helfen wissen. Besonders der aus Schottland stammende Verwalter Absalom Cornet will der Emanzipation einen Riegel vorschieben. So geht es bald nicht nur um komplizierte Beziehungen innerhalb dieser Gemeinschaft im Ausnahmezustand, sondern auch um Beschuldigungen und Verrat.
Die Christianisierung der Sámi durch fanatische Männer, die Hexenverfolgung als Gotteswerk ansehen, und die düstere, entbehrungsreiche Abgeschiedenheit sind die Basis für diesen einfühlsamen, oft aber auch finsteren Roman, in dem die Frauen alle Hauptrollen spielen. Lesenswert!
Frank Schätzing: Der Schwarm
Merkwürdiges geht vor im Meer, Dinge, die nicht sein dürfen. Erst sehr langsam fügt sich das Puzzle internationaler Vorfälle zusammen. Und wird bedrohlich. Dass es letzten Endes um eine unbekannte Lebensform dreht, ist nicht gerade ein Twister. Aber so einfach ist das nicht. Obwohl selbst das Taschenbuch zu schwer zum Halten ist, zwingen Neugier und Spannung zum Weiterlesen. Der Film hat übrigens nicht so viel mit dem Buch zu tun. Der Autor hat sich da herausgehalten.
Auf meiner Leseliste stehen gerade noch:
Benjamin Wood: Der Krabbenfischer
Lutz Seiler: Kruso
Emilia Hart: Unbeugsam wie die See
Und weil mir das eben so einfällt, gibt es noch eine Liste mit Filmen (Titel entweder deutsch oder englisch)
Achtung: Ohne Hai- und Piratenfilme, keine Animationen
Finest Hours – Unbedingt gucken, habe es schon mehrmals gesehen
Der Sturm
Master & Commander
Im Rausch der Tiefe – wird nie alt
Waterworld – wird leider alt, aber trotzdem
Im Herzen der See
Abyss
Life of PI
All is lost
Jede Ergänzung meiner Listen wird hochgeschätzt. Jede von mir unentdeckte Meer-, Insel- und Küstengeschichte nehme ich gerne.



