TALES FROM THE OTHER SIDE

Auf zwei Rädern wagten wir eine Reise ins Fantastische, wo wir in einem verrückten Raumschiff einem verdrehten Mann in Badehose begegneten, der den Himmel fangen wollte. Er führte uns durch ein blühendes Wunderland zu einem spiegelnden Baum, hinter dem ein Hasenwesen uns mit einer Automatenpuppe bekannt machte. All diese wundersamen Gestalten und mehr von ihnen fanden wir im Garten eines verlassenen Luftschlosses an einem geheimen Ort.

Es war eine wundervolle kleine Fahrradtour, die uns zum Spanischen Turm östlich von Darmstadt führte. Dort findet zurzeit die Skulpturenausstellung „TALES FROM THE OTHER SIDE“ statt. Ein echter Geheimtipp und ein geheimnisvoller Ort. Noch vor ein paar Jahren waren hier nur Wildnis und ein zerfallenes Gebäude. Eine Stiftung erweckte alles zu neuem Leben.

Der Turm war wohl zuerst als künstliche Ruine Ende des 18. Jahrhunderts errichtet wurde. Diese waren beim Adel als Ausdruck romantischer Projektionen sehr beliebt. 1853 veranlasste Prinz Carl von Hessen eine Aufstockung des Turmstumpfes um zwei Geschosse sowie den Anbau eines Treppenturms. Carl bezeichnete diesen Turm als „Chateau d’Espagne“, also als Luftschloss oder realitätsfernen Sehnsuchtsort. Der Turm wurde in seinem letzten Zustand restauriert und ein großer insektenfreundlicher Wildblumengarten mit Rundwegen angelegt. Dieser dient als Ausstellungsort zeitgenössischer Skulpturen.

Die in der laufenden Ausstellung gezeigten Skulpturen aus Bronze und Neusilber aus einem Zeitraum von 123 Jahren wurden alle in der Bildgießerei Noack gefertigt. Für den Inhalt der Ausstellung darf ich den offiziellen Text bemühen:

„Verbunden durch eine ästhetische Dimension der Rätselhaftigkeit, eröffnen die ausgestellten Kunstwerke unvermutete Ansätze, die diesseitige Welt durch Unvertrautes zu erweitern. Die »andere Seite« ist im Kontext der Ausstellung als imaginär konstruierte Gegenwelt dessen zu verstehen, was im Allgemeinen als »Realität« bezeichnet wird, wobei sie mit dieser, ähnlich einem Schatten, untrennbar verbunden ist.“

Am meisten beeindruckt hat mich überlebensgroße die Skulptur „Der Sprung (der Flug mit Badehose)“. Für mich setzt der Mann mit Badehose nicht zum Sprung an, sondern versucht mit seinen übergroßen Händen den Himmel zu fangen. Mann muss zweimal hinsehen, um zu bemerken, dass er in der Taille einmal um sich selbst verdreht ist, sein Kopf also eigentlich nach hinten zeigt.

Die rauchende, steineschleppende Hasenkugel erinnert mich irgendwie an Alice im Wunderland, heißt allerdings „Messenger“ hm? Ich empfinde das Teil als frech und liebenswert und halt aus einer anderen Welt.

Das Raumschiff Humpty Dumpty führt uns nun endgültig in das Alice-Universum. Zur Erklärung findet sich tatsächlich nichts Besseres, als den Künstler selbst zu Wort kommen zu lassen: »ist menschenideologiefrei, menschenmachtsfrei, religi- onsfrei, unbestechlich, präzise und ohne FALSCH. […] Diese Metabolismusmaschine braucht als Treibstoff nur Zukunft, Liebe, Respekt, Neutralität und Erz, also Kunst. […] Diese Totalstbabymaschine ist der zuckersüßeste Geleitschutz der Erzkunst. Das BABY-RAUMSCHIFF Humpty-Dumpty fliegt ohne Rückspiegel, ohne Rehling und ohne Nostalgie nur nach vorne, toll, toll, toll.«

(OMG, meine Rechtschreibprüfung flippt gerade völlig aus, Kunst kann die nicht)

Um Schnittstellen von Mensch und Technik geht es bei diesem Automatenwesen, das“Icedancer“ heißt.

An der Gespensterfigur hat mich auch die Technik fasziniert. Unvermutet tauchen an den fließenden Formen technische Details auf und wie man diese Füße als Bronzeguss hinbekommt, verwundert den Laien und beeindruckt.

Der Spiegelbaum mit seiner außen realistischen Rinde und dem hochglänzenden Innenspiegel, der seine Umgebung spiegelt, eröffnet durch seine Teilung mehrfache Dimensionen. Verblüffend.