Von Hackschnitzeln, Besinnung, Drachenglut und Dankbarkeit

Tiefe Träume, Dunkelheit. Telefonklingeln. Zwei Menschen fahren panisch hoch und tappen über kalte Fliesen zum Telefon. Tante Elli? Es wird doch nicht? Die für nächste Woche angekündigten Hackschnitzel für den Garten werden geliefert. Die Schnitzel kommen aus MeckPomm, die Jungs rufen aus Rödermark an: Lieferung in den nächsten zwei Stunden. 

Zurück unter die Decke. Nützt nichts. Die Füße sind kalt und mir fällt ein, dass ich gestern Abend die Hundedecken in der Waschmaschine vergessen habe. Dahin ihr Träume.

Wach bin ich nicht. Solange die Straßenlaternen noch leuchten, ist keine Renter-Aufsteh-Zeit. Das bin ich nicht mehr gewohnt. Ich mache eine Tasse Früchtetee namens „Glut der Drachen“ und versuche es mit Duschen im Halbschlaf. Um das Leben hereinzuholen, bitte ich Alexa um einen freundlichen Lokalsender. Während ich Pflegeshampoo im Haar verteile, laufen die Verkehrsnachrichten. Sehr, sehr lange.

Einst saß ich auch in diesem Stau bei Niedernhausen oder am Offenbacher Kreuz. Mit Kostümchen verkleidet oder später im Monster Pickup mit reichlich Ladung hinten drauf. 

Muss ich nicht mehr. Habe ich mir verdient. Jetzt betreiben wir Cocooning. Wir haben ein Nest gebaut mit allem Guten, dass wir uns erdenken konnten. Ich spiele mit dem großen Zeh im Schaum und denke, dass ich ein gutes Leben hatte. Damals. Klar habe ich fast alle Standard Dramen von der Liste abgearbeitet, von Scheidungen bis Firmenschließung, vom übermächtigen Vater bis hin zu falschen Entscheidungen. Aber irgendwie ging es doch immer aufwärts. Wie fast alles zu meiner Lebenszeit. Zu Friedenszeiten. Zu Wirtschaftswachstumzeiten. Semesterferien in Griechenland mit Rucksack am Strand. Arbeiten für 18 DM pro Stunde. Eine WG auf dem Land. Mal eben die Fakultäten wechseln. Jobs in ganz Deutschland. Urlaub in der Welt. Eine Mondlandung, das Internet, ein Mauerfall, Glasnost. Goldgräberzeiten in Leipzig. Meine wundervollen Pferde. Duftende Heuernten. Und heute habe ich ein Tiefkühlschublade voller King Prawns zum Valentinstag bekommen. Meine Leibspeise. Eine davon. 

Und da draußen brennt die Welt. Und ich bin so froh, jetzt nicht 18 zu sein. 

Ich wurde zu einer guten Zeit geboren. Und ich bin dankbar dafür. 

3 Gedanken zu „Von Hackschnitzeln, Besinnung, Drachenglut und Dankbarkeit

  1. Das hört sich tatsächlich nach einem gelungenen Leben an. 18 DM pro Stunde scheint mir aber ein Spitzenlohn zu sein. Bist du sicher?

    1. Definitiv. Studentenjobs: Telefonzentrale, Sortierarbeiten, Pins in Karten stecken und ach, he, Lochkarten stanzen :-)! Ging so etwa anderthalb Jahre lang. Gab Jobs, keine Leute. Das Jahr weiß ich nicht mehr.

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