Aus der Serie: Geschichten vom Dorf

Diese Geschichte erzählt von einem kleinen Dorf wie diesem und sie ist tatsächlich genau so passiert.

Geht es euch nicht manchmal auch so? Da gibt es etwas Neues. Ihr kennt das noch nicht, aber die Leute, die es euch anbieten, sagen, dass das gut für euch wäre. Euch weiter bringen wird. Für euch hilfreich sei. Und dass es euch nützen würde. Aber das Tollste: es soll nichts kosten.
Spätstens jetzt ist doch alles klar: Fake! Betrug! Da kommt ja ganz sicher was hinten nach. In Kleingedruckten wird einem da was untergeschoben. Ein Abo oder was, was man gar nicht braucht.

Was wollt denn ihr?

Tja, so ging es unserer kleinen Arbeitsgemeinschaft, als wir etwas Gutes für unser Dorf tun wollten. Eigentlich waren wir zusammen gekommen, um über die Möglichkeiten eines Dorflädchens zu sprechen, haben das Projekt aber aufgegeben, da es aus verschiedenen Gründen hier keine Chance hätte. Als eine alternative Idee entstand unser „Dorfnetzwerker“.

Unter diesem Logo sollte der Dorfnetzwerker, ein kleines DIN A 5 Format Blättchen, einmal auflisten, was innerhalb unseres Dorfes so alles angeboten wird: von frischen Eiern und Hühnern über Honig und Schnaps bis hin zu Rat und Tat, wie z.B. Nachhilfe, Gartenhilfe usw. Vorstellung des Vereinslebens, die Kirchengemeinde…

Eine tolle Idee, dachten wir. Einkaufen um die Ecke, Hilfe von nebenan und sich dabei auch besser kennenlernen. Die erste Ausgabe wollten wir privat und persönlich finanzieren, die nächste sollte sich aus Anzeigen decken. Und in jeden Haushalt verteilen wir das Druckwerk auch noch persönlich.

Also starteten wir mit ein paar Posts in der Facebook Gruppe des Dorfes. Neben ein paar Hurra Rufen startete auch gleich die Misstrauenskampagne. Wer seid denn ihr? Was wollt ihr? Ein Anzeigenblatt? Gibt es nicht schon genug Papier? Wer steht denn hinter euch?

Dann also Old School

Auch bei schärfstem über die Schulter gucken, konnten wir da niemanden hinter uns entdecken. Also haben wir die Sache Old School betrieben. Wir wanderten von Haustür zu Haustür. Schrieben Mails an alle, die wir kannten, wie die Vereine, die bekannten Firmen, die Ärztin, die Kirche … Und erklärten und erklärten, erstellten ein Musterheftchen, erinnerten an den Annahmeschluss… Während ich – in diesem Fall Layouter und Setzer – aus alten Visitenkarten Anzeigen bastelte und versuchte, korrekte e-mail Adressen aus den handschriftlichen Einverständniserklärungen heraus zu lesen.

Heute ist das Blättchen fertig. Zur Hälfte bereits über Anzeigen finanziert. Wobei ich dabei nur den Druck meine, alles andere haben wir sozusagen ehrenamtlich erledigt. Und so soll es bald auf jedem Küchentisch liegen.

Jetzt weiß bald jeder, wo es Honig gibt und wann und wo der Lebensmittelwagen von Rhöngut hält. Wer Getränke liefert und wo man italienische Köstlichkeiten kaufen kann. Wann die Kneipe offen ist und bis wann die Meldungen für die Obstbaumsammelbestellung beim Obst- und Gartenbauverein sein müssen. Dass wir eine Änderungsschneiderei und einen Friseur haben (beides wusste ich nach 12 Jahren nicht). Wer bei der PC Reparatur hilft und dass die Schreinerei sich auch um Bestattungen kümmert. Dass man eine ortseigene Band buchen kann, wo es Ferienwohnungen gibt und dass hier jemand Russisch unterrichtet.

Und wetten, dass es funktioniert?

Für die nächste Ausgabe haben wir schon vor der Verteilung die ersten Anzeigen drin. Und wir sind guten Mutes, dass wir nach der Verteilung des Blättchens nicht mehr für die Einträge von Tür zu Tür laufen müssen. Ein klein bisschen stolz sind wir schon.

Wir planen zurzeit vier Ausgaben pro Jahr. Irgendwann werden wir die gewerblichen Anbieter alle haben. Und alle Infos zur Grundversorgung. Dann hoffen wir auf viele private Einträge: Wer bietet seine Bäume zum Abernten an? Wer hat zu viele Walnüsse im Garten? Zuviel Tomatenpflanzen gezogen? Strickt Strümpfe?

Wir hoffen, dass unser Dorfnetzwerk immer größer wird. Und dass unsere Idee und unser Dorfnetzwerker-Blättchen, das es in Zukunft auch in Farbe geben wird, auch in vielen anderen Dörfern Schule macht.

Und auf dem Dorf ist doch alles anders

Vielleicht ist dieser Post für Großstadt Bewohner eher was zum Wundern und Kopfschütteln. Aber hier draußen leben die Menschen gerne in den Dörfern und auf dem Land. Und mehr und mehr wächst der Wille, sich hier gegenseitig zu unterstützen. Man kämpft um den Erhalt von Dorfläden und Dorfkneipen. Die zentralen Backhäuser werden wieder eröffnet und es wird gemeinsam gebacken wie früher. Die Landfrauen kümmern sich um die Senioren, die Ärztin aus dem Nachbarort hält Sprechstunden ab in der Alten Schule. Mitfahrbänke stehen an den Kreuzungen.

Dass sich hier nicht immer alle grün sind? Klar ist das so. Und die alten Feindschaften halten oft am längsten. Aber auch die Oigeplackten (eingeplackt: hessisch ortsfremd, zugezogen) zauseln sich um Parkplätze und Pferdemist. Aber wenn hier einer rumläuft, ganz fremd und dreist in die Höfe späht, dann funktioniert das Infosystem ganz fix. Heute natürlich auch über Facebook.

Gesundes Misstrauen war ja noch nie falsch. Und dass da jemand was ganz umsonst anbietet – ja, das kann ja gar nicht mit rechten Dingen zugehen. Tut es aber doch. Quod erat demonstrandum.

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