Der Moment, in dem noch alles, alles gut ist

Ich träume noch. Ich bin in einer italienischen Küche mit beiden Händen bis zu den Gelenken im Teig, den ich knete. Zwei schwarzhaarige, lachende Männer in Schürzen scherzen miteinander und werfen sich gegenseitig Gemüse zu. Früher im Traum traf ich einen alten Freund oder zumindest eine mögliche Version von ihm. In meinen Träumen haben viele Menschen bekannte Gesichter, sind aber definitiv nicht sie selbst. Nun, diese Version des Freundes war zufrieden. Er grinste mich an und sagte, es wäre die richtige Entscheidung, die er getroffen hätte. Und ich hätte alles richtig gemacht. Ich war beruhigt. Er ist schon lange tot.

Ich warf dem einen Pizzabäcker noch einen Kuss zu und verabschiedete mich aus der duftenden Küche, dankbar, dass ich da sein durfte. Ein guter Traum. Ohne die Augen zu öffnen, drehe ich mich langsam auf die andere Seite, wackle mit den Zehen, spüre in meine Knochen, lausche meinem Herzen. Fühlt sich alles ok an. Altersgerecht, würde der Arzt sagen. Ich bin zufrieden. Vor der Schlafzimmertür höre ich meinen Mann, wie er versucht leise zu sein. Liebe flutet mich und wärmt. Leise japsende Laute: die beiden kleinen tauben Hunde führen ihr Morgenbegrüßungsritual durch, indem sie miteinander herum albern. Ein inneres Lächeln. Dann überfällt mich tosendes Spatzengezwitscher. Ich öffne das rechte Auge. Durch das bodentiefe Fenster direkt an meiner Bettseite sehe ich in den noch halbdunklen Garten, in dem sich die Spatzenhorde um jedes Körnchen streitet. Was herunter fällt, gehört dem aufgeplusterten Taubenpärchen. Die Amsel trinkt schon wieder respektlos aus der Hundeschüssel. Freude. So viel Leben. Und ein einsamer Sonnenstrahl. Hoffnung. Vielleicht gibt es ja heute mehr davon. Ich öffne das andere Auge. Durch die Milchglasscheibe zum Wohnraum kann ich die Gallé Lampe erkennen, die dieses warme Licht durch ihre blumigen Ranken verströmt. Eines meiner Lieblingsstücke. Schönheit.

Ich fühle mich so gut aufgehoben in meiner kleinen warmen Welt. Glück. Gerade habe ich so viel davon. Genug, um dieser Welt da draußen zu begegnen? Genug, um es mit dem Irrsinn und der Angst und dem Altwerden aufzunehmen? Vielleicht, wenn ich einfach ganz still liegen bleibe, mich nicht rühre – vielleicht ist dann noch einen Moment länger alles, alles gut.

Ich verlinke diesen Beitrag mit Ullis Projekt „Momente des Glücks„.

3 Gedanken zu „Der Moment, in dem noch alles, alles gut ist

  1. Liebe Ola, ich danke dir von Herzen für diesen schönen Beitrag zum Projekt. Du beschreibst darin so treffend und schön, wie es ist, wenn sich jede und jeder dem Hier und Jetzt öffnet, die Dankbarkeit, das Glück, die Freude über das Wohlaufgehobensein ist eins davon.
    Herzliche Grüße, Ulli

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Verwandte Beiträge

Beginne damit, deinen Suchbegriff oben einzugeben und drücke Enter für die Suche. Drücke ESC, um abzubrechen.

%d Bloggern gefällt das: