Inselgeschichten I

Die Insel ist leer, grau, leblos. So habe ich sie noch nicht erlebt. Wo selbst im Winter Autoschlangen am Syltshuttle stehen, haben wir freie Fahrt auf einen langen, leeren Autozug. Der Himmel ist grau, Regen sprüht. Es ist Sonntag. Auf der Insel rührt sich nichts. Ein paar übrig gebliebene Weihnachtsdekorationen blinken.

Winterruhe. 1500er Inzidenz. Die Restaurants schließen. Kein Personal mehr. Selbst die nahegelegene Zweigstelle unseres Lieblings-Fischhändlers samt Bistro hat die Rollos herunter gelassen. Dafür Testzentren überall. Der feuchtgraue Himmel will nicht aufreißen. Das Meer ist schwer wie Blei und die Wellen brechen dumpf donnernd. Genau zum Sonnenuntergang gibt der Himmel einen Streifen über dem Horízont frei: That‘ where the light comes in. Fragt Leonard.

Das ist die Zeit für die Hardcore Sylties. Strand ist Strand, Meer ist Meer. Kein Wetter wird daran etwas ändern. Oder die vom Sand zugewehten Strandzugänge, von deren Treppen nur noch das Geländer hervor ragt. Viren halten dem Wind sowieso nicht stand. Und Gosch hat geöffnet, sogar am Sonntag den Fischladen. Nirgendwo ist der Graved Lachs so zart, die Heringssalatauswahl so groß, das Brot aus dem Ofen so knackig.

Ab Montag übernehmen die Handwerker, Gärtner und Hausmeister die Insel. Überall wird gewerkelt.

Und wir haben das gefühlt schönste Haus der Insel. Das ist natürlich Ansichtssache. Das Haus ist nicht nur außen friesisch, was sich für Kampen so gehört, sondern auch innen. Wie aus einem anderen Jahrhundert. Die Deko ist üppig, aber ausgesucht und edel. Alle Bilder, ob Grafik oder Ölgemälde sind Bilder von Schiffen und Küsten. Getoppt von ein paar alten Schiffsmodellen. Ausnahme: das Entenzimmer. Dazu später. Ebenso wie zu den rundherum eingesetzten Butzenscheiben. Wusstet ihr, dass Reetdachhäuser keine Regenrinne haben? Ich werde euch Stück für Stück in die Geheimnisse des Hauses einweihen. Eine lohnende Tour. Versprochen. Ach und nur zur Orientierung: Solche Objekte werden in Kampen für 13 Mio EUR gehandelt. Ohne altfriesische Einrichtung. Diese Insel ist schlicht gaga, was die Preise angeht. Aber eben für Sylties die Liebe ihres Lebens. Ich kann das verstehen.

Das Haus gehörte einer 1932 geborenen Dr. Inge Diederichs-Wesenburg, die es nach ihrem Tod einer Stiftung für schwerstkranke Kinder vermachte. Mehr ist über sie oder die Geschichte des Hauses nicht heraus zu bekommen.

Heute: Außenansichten mit dem typischen Friesenwall, dem sanft gerundeten Gartendesign, der riesigen Haustür, deren Klinke auf Kinnhöhe sitzt. Im Sommer eine Blütenpracht mit Hortensien und Heckenrosen. Wir öffnen die Tür und befinden uns im Eingangsbereich. Bestens dekoriert mit Wanderschuhen und Gummistiefeln, wasserfesten Daunenjacken, Schals, Mützen und Handschuhen. Basisausrüstung.

4 Gedanken zu „Inselgeschichten I

  1. was für ein schönes Haus – aber: kannst du bitte die Bilder so einstellen, dass man sie vergrössern kann? Bei mir geht das nicht und ich würde mir dieses Haus gerne näher anschauen🙂🙂🙂

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