Eisgrau. Lieber November…

…du neigst dich deinem Ende zu. Einer deiner Brüder übernimmt. Nicht traurig sein. Sollte dieses November Tagebuch doch von den vielen trüben Lockdown Tagen berichten, so muss ich bekennen: wettertechnisch hast du deinem Ruf keine Ehre gemacht. Statt Grau in Grau gabst du uns helle, blaue Tage, goldene Wälder, die in warmem Licht schwelgten, spektakuläre Nebelwelten und rosarote Sonnenuntergänge. Da soll sich Herr Oktober mal was abgucken.

So waren denn auch viele der guten Momente, dich ich jedem Tag finden wollte, einfach dem wundervollen Wetter geschuldete Bilder. Und du gibst ja nicht auf. Selbst am letzten Tag quetscht du noch eine Überraschung rein.

Heute früh überrascht du mich mit einer neuen Grau Variante: Eisgrau.

Da verneige ich mich einfach. Du hast vieles von dem wieder gut gemacht, was der Lockdown geschrottet hat. Und nur mal ganz im Vertrauen – es ist ja wirklich nicht deine Schuld, aber – es kotzt mich an. Es geht mir auf den Sack (dem vom Nikolaus halt), ich habe es so satt, ich haben echt fertisch mit Corona.

Waren wir doch im Frühjahr eine verschreckte Herde Schafe, die eigentlich gerne Briefe an verstorbene Eltern und Großeltern geschrieben hätte: Ej, hört mal ne Pandemie, hättet ihr das gedacht? Ihr hattet den Krieg und wir jetzt? So saßen wir bibbernd auf unserem Klopapier, taten cool, bildeten uns eine Meinung und warteten darauf, gleich tot zu gehen. Als uns dann klar wurde, dass alle nur eine Meinung hatten und keiner was wusste, Klopapier nicht der Schlüssel in diesem Spiel war und wir mit Sicherheit sterben würden, nur wahrscheinlich nicht auf der Stelle – da bildeten wir uns wieder eine Meinung. Obwohl eigentlich immer noch keiner was wusste, aber na ja – immerhin ein wenig mehr. Dann führte diese Meinung zur Lagerbildung und das Elend begann.

Die, die wenig wussten, aber verzweifelt versuchten das Richtige zu tun, weil sie eine Verantwortung hatten, standen denen gegenüber, die nur eine Meinung hatten, aber nichts tun mussten, weil sie keine Verantwortung hatten. Die ihnen Gottseidank und aus guten Grünen auch keiner gegeben hatte.

Dann kamen dazu ein paar Leute, die überhaupt keine Ahnung hatten und nicht glauben konnten, dass sich die Welt verändert hatte, ohne ihnen persönlich Bescheid zu geben. Die feierten Hochzeiten mit 4000 Leuten und Geburtstag und Hularaharam Fest oder so mit 50 bis 200 Leuten und wunderten sich hinterher, wieso die Nachbarn oder der Bürgermeister sie nicht mehr leiden konnten. Heeeeiiii, wasn los?

Jetzt verstecken wir uns halt immer noch hinter Masken, die inzwischen Designer Fähnchen mit eingenäht haben (ein deutliches Zeichen für eine sehr langfristig angelegte Marketing Strategie und ich bin mir nicht sicher, wie wirksam. Weil: auf 1,50 Abstand müsste das Teil gästehandtuchgroß sein um „Van LEEK“ lesen zu können…). Mist, vom Thema abgekommen. Also, wenn wir vom Masken tragen was gelernt haben, so hoffe ich, dass demnächst zu Winterbeginn und darüber hinaus, einfach jeder, den es kratzt und der hüstelt, einfach mal für 14 Tage eine Maske umbindet und im Home Office bleibt. Tatää: weniger Erkältungen, weniger Grippetote, weniger Geschmacksverluste.

Und ich muss mich immerzu erinnern: die alte Normalität kommt nicht zurück. Nichts wird sein wie vorher. Dieser Virus und dann der nächste – sie werden uns begleiten. Und wir werden mit ihnen umgehen und sogar besser werden darin. Bis zu dem, der schneller gelernt hat als wir.

Aber dieses wunderbare, unvergleichlich schöne Leben war schon immer brutal gefährlich. Und deshalb werde ich im Dezember kein Tagebuch mehr schreiben und losgehen und dieses Leben so leben, wie es eben geht (nur noch heimlich ab und zu hinter den Busch kotzen).

Dieser Blog ist ein Fotoblog – und soll es bleiben. Mit einer Kochecke und einer Leseecke. Mit dem ein oder anderen Gedicht, die mag ich nämlich. Geschichten schreiben werde ich nur wenig. Zu lange habe ich von den Wörtern gelebt. Ein wenig hat sie das entzaubert.

Und so beende ich diese Tagebuch mit dem letzten, hellen Himmel, den du uns geschenkt hast, lieber November. So weit offen, dass alles möglich ist.

2 Gedanken zu „Eisgrau. Lieber November…

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