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Sie nehmen ihre Kraft aus dem Atem der Welt

Ein wenig Nostalgie darf sein. Marens Beitrag über die Sail-Sail-Sail Bremerhaven hat mich eindeutig inspiriert zu einem Rückblick auf meine Großsegler Ereignisse im Leben. Und ich musste sofort feststellen, wie viel ich davon einfach vergessen hatte. Eine Nachfrage bei der Schwester ergab ein paar Treffer. Aber auch weiterhin große Lücken.

Segeln, Wasser, Meer – eine Familienliebe. Großsegler – eine Familienfaszination.

Schiffszeit

Es ist Nacht, mein Freund.

Jene Art Nacht:

deren Himmel dich umhüllen

wie tiefblauer Samt.

Deren Sterne funkeln

wie Splitter von Eis.

Die mit Sternschnuppen

nach dir wirft

und deren Dunkelheit

nichts zulässt,

außer dir und ihr.


Es ist Sturm, mein Freund.

Jener Sturm:

der in warmen Wellen kommt.

Der mit gierigen Händen

deinen Körper erforscht.

Der dir schmeichelt

und dich verlacht.

Der mit dir spielt

und dich ganz nimmt,

bis nicht mehr existiert,

außer dir und ihm.


Es ist raue See, mein Freund.

Jene See:

deren Wogen gischtgekrönt

zu den Sternen wollen.

In deren Tälern

dein Mut versinkt

wie ein Stein.

Die das Gesicht dir leckt

mit salziger Zunge.

Deren Toben dein Herz

in Bann schlägt,

bis es nichts mehr gibt,

außer dir und ihr.


Die Lady reitet den Sturm,

mein Freund.

Mit knarrenden Masten

und bebenden Decks.

Sie träumt die Nacht,

sie tanzt mit der See.

Die Flossen ihrer Gefährten

durchschneiden schweigend

die Gischt an ihren Flanken.

Wenn sie die Tiefen verlassen,

um im Sternlicht zu baden.

Es ist Zeit, mein Freund.

Die Hände zu lösen

vom rauen Halt

und deine Augen

empor zu wenden zu den Rahen,

zu den Schatten der Segel

unter dem Mond.

Dich loszulassen

und dich ihr ganz zu geben,

bis da nichts mehr ist,

zwischen dir und ihr.

Und du erkennst:

das du den Himmeln näher

niemals sein kannst.

In die richtige Reihenfolge oder regionale Ortung bekomme ich meine Segelerlebnisse nicht mehr. Fangen wir mal an mit meiner Segelwoche auf der Sedov, dem größten noch segelnden Traditionssegler. Sie gehört zu den russischen Großsegler-Schulschiffen. Abenteuerlich. Hier fasst man tatsächlich mit an, wird einem Mast (ich dem Vormast) zugeteilt und zur Wache eingeteilt, springt bei Segelalarm aus der Koje im Gemeinschaftsschlafraum und isst mit der Mannschaft. Vorgewarnt brachten die Wochengäste alles mit, was man dringend brauchte: Toast und Marmelade, Klopapier, Kekse, Alkohol. Und Seglerkleidung natürlich. Für die Manöverhilfe auf Deck und fürs Deckschrubben durfte man dafür auf den Mast, allerdings nicht während der Manöver, da wird es echt hektisch da oben. Es war definitiv Analogbildzeit.

*

Bei normalem Seegang schwankt der 58 Meter hohe Mast so um die 7-8 Meter auf Ausguckhöhe. Kamera gut festhalten.

Zwischendurch wurde es mal richtig luxuriös. Ich bin tatsächlich – dem Vater sei Dank – die alte Sea Cloud gesegelt. Das schönste Schiff, was ich jemals gesehen habe. Alles poliertes dunkles Holz, glänzendes Messing, ein Traum unter Segeln. Wir wohnten in einer der ehemaligen Offiziers- und Schiffsarzt Kabinen. Nachts konnte man die Türen auflassen und direkt aufs mondbeschienene Meer sehen.

„Goldene Wasserhähne in Schwanenform, prunkvolle Marmorkamine, französische Antiquitäten – als Erbin eines Millionenvermögens konnte Marjorie Merriweather Post ihrer Fantasie beim Bau ihrer Privatyacht, die 1931 in Kiel vom Stapel lief, freien Lauf lassen. Noch heute strahlt jedes Detail auf der SEA CLOUD den Glanz einer vergangenen Epoche aus. Ihre Eleganz wirkt zeitlos, denn sie hat sich ihren unkonventionellen Charme bewahrt.“ Das Zitat stammt von der Website der Sea Cloud. Das Schiff durfte bald nach meinem Besuch auf der halben Welt die Häfen nicht mehr anlaufen, da sie die Sicherheitsbestimmungen nicht mehr erfüllte. Heute ist sie restauriert und technisch modernisiert und beherbergt nur noch 32 Gäste.

Inzwischen gibt es etliche Nachfolger des Schiffes. Sie heißen Sea Cloud II oder sie gehören zu den Starclippern oder Royal Clippern. Einige davon setzen Segel auf Knopfdruck. Grausig. Die Starclipper , auf der ich segeln durfte, arbeitete noch mit voller Mannschaft. Ich erinnere mich daran, weil es erst einige Wochen nach meiner Rücken OP war und ich ziemlich stolz war, als ich den Mast hochkrabbelte.

Irgendwann folgte eine Segelwoche auf der Lilli Marleen. Ein relativ neues Schiff von 1994 der Deilmann Reederei Hamburg. Nur 50 Gäste, alles sehr relaxed. Aber ich weiß nicht mehr, wo wir gesegelt sind, ich habe einen Barbados Stempel im Pass 1995. Könnte sein. In der Karibik war ich immer nur mit dem Segler.

Aber ganz sicher waren wir zweimal auf der Annie von Hamburg. Sagt mein Seefahrtsbuch. Für das darunter liegende Foto haben wir das Rettungsboot ausgesetzt und sind ums Schiff herumgefahren. Ein sehr alter Segler, der in seinem langen Leben schon alles einmal war, inklusive Küstenmotorschiff. Aktuell ist es gerade mal wieder verschwunden. Das Schiff erlaubt nur zehn Passagiere und fünf Mann Crew. Anfassen war unumgänglich. Wir sind 1995 gesegelt, da gehörte der 120 Jahre alte Dreimastschoner der Germania Werft und war als Kreuzfahrer unterwegs. Dann wollte ein Millionär einen ökologischen Frachtsegler aus ihr machen. Leider war sie da schon völlig verrottet. Gerade versuchen zwei Finnen Stück für Stück eine Sea Cloud en miniature aus ihr zu machen.

Und dann war da noch die Atlantis. Die segelt auch heute noch. Der Beweis, dass wir auf ihr gesegelt sind, besteht hauptsächlich aus einem alten Crew Pullover mit Aufschrift. Bisher ist es uns nicht gelungen, aus den Tiefen unseres Gedächtnis herauszukramen, wann und wo das war. Die Barkentine ist das alte Feuerschiff Elbe 2 und ist hauptsächlich in Nord- und Ostsee und im Mittelmeer unterwegs… Ich weiß nicht…

Ganz sicher war ich erst vor einigen Jahren mit der Flying Dutchman vor der Küste Schottland. Eine Traumreise. Landschaft, Schiff und Whiskey – da stimmte alles. Angefasst haben wir nur ein wenig. Vielleicht wegen zu viel Whiskey.

Und irgendwann davor gab es ein großes Guck- und ein kleines Segelerlebnis. Wir waren in Stettin, als die Segler des Tall-Ship-Race einliefen. Schiffe gucken satt. Und wir segelten mit einem kleinen Großsegler nach Rostock zur Hanse Sail. Das war ein großes Fest.

*

*

*

Da sagt man: Das war unvergesslich. Und ich war mir ganz sicher, dass die Segelabenteuer zu den beeindruckendsten meines Lebens gehören. Aber siehe da – ist nicht unvergesslich. Hätte nicht die Mitreisende bei vielen dieser Abenteuer, meine Schwester, ähnliche Zuordnungsschwierigkeiten, hätte ich an mir gezweifelt.

Neulich hatte ich Probleme mich an den Namen eines meiner Pferde zu erinnern (Ich hatte einige im Laufe der Zeit). Dennoch unverzeihlich. Und wüsste ich noch, in welchen Land der wütende Elefant vor mir die Erde aufstampfte? In welchem trockenen Gras kauerte ich zitternd? Wo war die Insel, auf der die Elefanten auf der Seite schlafen?

Das Gedächtnis ist ein unzuverlässiger Geselle, die Vergangenheit eine sehr subjektive Erfahrung. Und öfter frage ich mich, ob einige meiner klaren Erinnerungen überhaupt etwas mit der Realität zu tun haben. Aber ist das von Bedeutung?

Für mich ist Meer Sehnsucht, Liebe und Faszination. Es ist Ferne und Weite und Unendlichkeit. Es ist so groß und so mächtig. Es zeigt dir, wo dein Platz ist. Anders als Gipfelkreuze sind seine Tiefen und Weiten nicht zu erobern. Aber rauf und runter geht es hier auch. Nicht bös sein, Bergfreunde. Diese Welt tischt jedem auf.

3 Gedanken zu „Sie nehmen ihre Kraft aus dem Atem der Welt

  1. Toller Bericht, mir geht es ähnlich bei meinen Erinnerungen. Ich war mit meinem Papa tatsächlich in den Bergen. Er kann mir noch alle Hütten und Gipfelnamen aufzählen, die ich beim besten Willen nicht mehr finden kann. Das Meer ist für mich so eine Art Saudade, in früheren Leben war ich bestimmt mal auf dem Schiff.

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