Seit 15 Jahren hatte ich keinen Weihnachtsbaum mehr. Entweder war in den Wohnungen, in den ich gerade lebte, sowieso kein Platz oder der Freiraum war durch Hundekörbe belegt. Zudem schien es mir häufig den Aufwand nicht wert, so ein nadelndes, krümelndes Etwas zunächst die Treppen rauf und später – noch schlimmer nadelnd – wieder hinunterzuschleppen oder eben durch eine Tür in den frisch geputzten Raum zu wuchten. Wo er schließlich sowieso nur für eine Woche lang stehen bleibt.
Aber schon seit letzten Jahr zwickte und zwackte etwas an mir. In meiner Vorstellung war ein Weihnachtsbaum ein mittelgroßer, sehr schön gewachsener Tannenbaum, der in der Mitte eines 60 Quadratmeter Wohnzimmer thronte. Bestückt mit silbernen Kugeln, einer Spitze, viel Lametta, echten Kerzen und einem schon etwas zerdrücken und beschädigten, aber höchst traditionellem Engel mit Wachskopf.
Das war mein Kindheits-Christbaum und er blieb es auch, bis meine Schwester und ich eine Partei gründeten allein zum Zwecke der Abschaffung von Lametta und der Einführung von roten Kugeln und roten Schleifen. Es dauerte – glaube ich – drei Jahre.
Jetzt wollte ich zurück ins total Traditionelle. Mit dem Platz in der Stube klappte es auch diesmal nicht, weil am einzigen Platz, an dem der Baum hätte stehen können, zur Zeit Paul, die Dogge wohnt und dort übrigens deutlich mehr Platz benötigt als ein Weihnachtsbaum. Aber schließlich haben wir eine 30 Quadratmeter überdachte Terrasse mit Ausblick auf den winterlichen Garten. Ein perfekter Platz für den Baum.
Ich habe schon 2024 begonnen, Vintage und Retro Kugeln in Silber zu sammeln. Sie dürfen auch mal ins Weiße oder Schwarze gehen oder einen leichten Bronzeschimmer haben. Und ich wollte lauter verschiedene! Das hat nicht ganz geklappt, ich musste ein paar mal ein Duo kaufen, weil es halt so in der Packung kam. Aber insgesamt habe ich 45 verschiedene Vintage Christbaumkugeln gesammelt. Stück für Stück über die Monate. Insgesamt sind es 54.
Sie wurden dann alle sorgsam verpackt und in einer Kiste im Keller verstaut. Dieses Jahr habe ich nun schon Anfang Dezember angefangen, meinen Baum zu schmücken. Und das stellte sich als Wissenschaft heraus. Nach Ansicht von echten Baumschmuckprofis reichen 54 Kugeln für einen 1,50 m oder 1,80 m Baum. Ja, ja, über sowas muss man gründlich nachdenken. Echte Kerzen kamen natürlich draußen überhaupt nicht infrage. Außerdem musste der Baum gegen Sturm und Unwetter befestigt werden. Jetzt steht also ein 1,50 m Baum auf einer mit Felsbrocken beschwerten alten Weinkiste, die mit Leinensäcken abgedeckt wurde. Und ein feiner, fast unsichtbarer Draht führt von seiner oberen Spitze an die Decke der Terrasse. Natürlich hat der Baum auch ein paar Lichterketten bekommen, also so ungefähr 400 bis 500 Birnchen, die es nach Ansicht der eben schon erwähnten Baumschmuckprofis mindestens sein müssen. Zusätzlich bekam er einen sanften warmweißen Scheinwerfer von links. Jetzt leuchtet der Weihnachtsbaum schon morgens früh im Dunkeln beim Aufstehen und abends pünktlich bei Einbrechen der Dunkelheit auf Alexas Befehl hin zu unserer Freude feierlich vor sich hin – mein erster Weihnachtsbaum seit 15 Jahren.
Und nein, der Baum ist nicht echt. Aber das merkt man heute wirklich erst, wenn man ihn anfasst und nach dem Tannenbaum Duft vergeblich sucht. Den kann man übrigens aus der Spraydose kaufen. Habe ich mir aber verboten. Was zu weit geht, geht zu weit. Man kann übrigens jeden Ast und jedes Ästchen des Baumes getrennt bewegen und hinbiegen. Wäre es also noch echter möchte, kann gerne einige Lücken, Löcher und Verbiegungen rein basteln. Die lassen sich perfekt mit Lametta überdecken. Gibt es das überhaupt noch? Oder wurde es als gefährlich entlarvt?
Oh ist der schön!
Viel Freude an ihm!