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Eine Geschichte über Geschichte – Lost Place II

Wir sind immer noch in der Nähe von Treuenbrietzen, südlich von Potsdam und Berlin. Ein Flug durch die Geschichte: In Stadtnähe gründete 1805 ein Müller namens Sebald eine Papierfabrik samt Villa, Werkswohnungen und großem Parkgelände. Diese florierte, der Park wurde zum öffentlichen Ausflugsziel samt Restaurant. Dann ging besagter Sebald (das Gelände hieß nun Sebaldushof) 1927 pleite und das ganze Gelände fiel an den Rüstungskonzern Kopp aus Berlin. 1928 begann dieser mit dem Aufbau einer Munitionsfabrik modernster Bauart und produzierte „schwedische Munition“. Was er natürlich nicht durfte. Produziert wurde das Ganze auf Maschinen aus den Heereswerkstätten Spandau, die man dem Zugriff der Kontrollkommission der Siegermächte irgendwie entzogen hatte. 1938 kam eine eigene Werkzeugmacherei dazu, 10 – 15 neue Gebäude sowie neue Werkswohnungen.

1936 umfasste das Werksgelände 20.00 Quadratmeter und es wurden Arbeitskräfte aus Österreich, dem Sudetenland, nach Kriegsbeginn auch aus Holland und Belgien akquiriert. Die für sie errichtete „Berliner Siedlung“ ist heute noch ein eigener kleiner Stadtteil. Über 2500 Menschen arbeiteten für das Werk. Ab 1942 wurden vor den Toren des Werks im Wald Baracken für Kriegsgefangene aus Polen, Italien und der Sowjetunion gebaut.

Am 21. April wurden Stadt und Werk durch das 51. Gardepanzerregiment der Ukraine besetzt. Das Lager wurde befreit. Die Zwangsarbeiter zogen plündernd durch Treuenbrietzen.

Am 23. April eroberte die 12. Armee der Wehrmacht, unterstützt von Mitgliedern des Reichsarbeitsdienstes und Hitlerjungen vom Gauschwarm Berlin, große Teile des Geländes zurück und schlossen die Zwangsarbeiter wieder in die Baracken. Angehörige der SS oder der Wehrmacht brachten noch am selben Tag 131 internierte italienische Militärangehörige in ein Waldstück und erschossen alle bis auf vier.

Am Abend des 23. April wurde das Lager erneut befreit. Das ganze Areal und die Stadt wurden zum Kampfgebiet erklärt und die Anwohner aufgefordert „abzuziehen“, ansonsten sie zu Wehrwölfen erklärt und erschossen würden. Man führte die Zivilisten zur Stadt hinaus in ein Waldstück und es begannen Vergewaltigungen, Folterungen und Erschießungen, denen an die 1000 von 7000 Einwohnern zum Opfer fielen. Das Massaker wurde zu DDR Zeiten verschwiegen.

Beide Erschießungsvorfälle wurden später untersucht, konnten aber bis heute nicht abschließend aufgeklärt werden.

Nach Kriegsende wurden sämtliche Maschinen nach Russland abtransportiert und fast alle Werksgebäude gesprengt.

Auf den Fundamenten und mit dem Baumaterial aus der Sprengung wurden 1960 die Ställe des „Kälberkombinats“ Treuenbrietzen gebaut.

Nach der Wende wurden einige Gebäude als Schafställe genutzt.

1977 wurden durch ein Schulprojekt die Fundamente der Zwangsarbeiterbaracken teilweise aus dem Waldboden freigelegt und gekennzeichnet.

Ansonsten sind nur noch Bruchstücke des Werktores und der Pförtnerloge und des Wehrs zu erkennen.

Heute ist dies ein einsamer, unzugänglicher Lost Place. Fast nur noch ein Stück Wald, das über einer 200jährigen Geschichte wuchert.

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