Kulturtour – Bummeltour

Gemütlich radeln und viel gucken – das war das Motto unseres Fahrradausflugs am Rande von Darmstadt. Fahrerisch keine Herausforderung, gepflegte Wege, wenig grober Schotter und Steigungen, die unsere E-Bikes sozusagen mit links bewältigen. Also Konzentration auf eine wirklich schöne und interessante Umgebung.

Wir starten am Jagdschloss Kranichstein, heute Museum, Hotel und Restaurant. Das schöne Schlösschen steht seit 1578 da, errichtet von Landgraf Georg I von Hessen. Allein zum Zwecke der Jagd. Einer der wenigen erhaltenen Jägerhöfe des Barock.

Das angrenzende Wildschutzgebiet, durch das wir radeln, war früher Jagdschutzgebiet, dann Wildpark. Es gehörte zum Bannforst Dreieich. Der Ausschluss der Untertanen aus den Försten war ein beliebtes Mittel der Machtpolitik in den Reichswäldern. Jagen war ein gesellschaftliches Ereignis. Wild wurde allein zum Zwecke der Jagd gehegt. Die „eingestellten“ Jagden und die Parforce Jagden endeten stets mit einem Abschlachten großer Mengen in die Enge getriebenen Wildes. 350 Jahre lang nutzten Landgrafen und Großherzöge dieses Gebiet, ohne dass die Bevölkerung Zutritt hatte.

Wir radeln zwischen Schlossmauer und Backhausteich. Oben rechts ein Jagdschirm, ein Beobachtungsposten mit Schießscharten, den Georg I für große Jagdgesellschaften bauen ließ.

Im stillen Wasser des Ludwigteiches spiegeln sich die Wolken. Überall da, wo er nicht mit Hunderten rosa und weißer Seerosen bedeckt ist.

Wo einst Kohle im Tagebau aus der Erde geholt wurde, liegt heute mein Lieblingsbadesee. Nach der Schließung der Grube Prinz von Hessen 1924 lief das entkohlte Loch mit Grund- und Regenwasser voll. Hier darf jeder ins Wasser: vom Elefanten über Menschen bis hin zu Hund und Katz (wenn sie denn mag). Kein Zaun, kein Parkplatz, keine Tickets. Am sandigen Ufer darf jeder sein Plätzchen bauen: ob mit oder ohne Kleidung. Nur Feuer und Grills sind verboten. Das Wasser ist klar, die Ufer sandig. Es geht auch ohne viele Regeln.

Es geht weiter durch ein Gegend voller kleiner Gärten und Hütten. Hier gestaltet sich jeder ein kleines Paradies nach seinen Träumen.

Kleiner Stopp an der Kreuzung. Hier wird Obst vom Baum und Gemüse vom Feld direkt an die Vorbeikommenden verkauft. Schräg gegenüber Felder zum Blumen selber pflücken. Die Sonnenblumen wachsen den Käufern über den Kopf.

Es ist Erntezeit. Hier wendet de Bauer das letzte Heu, aber es mehren sich auch die abgeernteten Kornfelder. Gelb und staubig.

Kleine Schattenspiele bei der Rast am an der Aussichtsplattform. Was zu sehen ist? Hmm, zu unseren Füßen schlängelt sich ein halb ausgetrockneter, kleiner Fluss und der Wald rundherum sieht so schön aus wie schon vorher. Wind raschelt durch die Bäume. Sonnenstrahlen verwinden sich durch das Laub. Soll ja wohl reichen!

Der Bahnhof Bessunger Forsthaus ist ein Lost Place. Mehr dazu in einem kleinen Extra Feature.

In Darmstadt erklimmen wir die Mathildenhöhe. Die 1899 durch den kunstsinnigen Ernst Ludwig gegründete Anlage vereint eine Reihe zukunftweisender Bauten in sich, samt Mobiliar und Zubehör. Die in einen Park mit Brunnen und Skulpturen eingebettete Anlage mit Hochzeitsturm und Russischer Kapelle ist gerade auf dem besten Weg, Unesco Welterbe zu werden, zeigt sie doch alle Elemente des Jugendstils und ist einmalig in ihrer Zusammenstellung.

Unter dem Hochzeitsturm und der Kuppel der Russischen Kapelle sitzen wir unter Platanen. Alle Figuren des Platanenhains tragen das Gesicht der Geliebten des Schöpfers Bernd Hoetger. Aber das ist nur das, was man sagt. Der Imbiss serviert Gemüse Couscous und einen vegetarischen, italienischen Gemüseteller. Politisch korrekt. Ganz unten sehr kleiner Schrift fristet die Rindswurst mit Kartoffelsalat ein verhärmtes Dasein in den Trümmern ihres Ruhms.

Auf der Rückfahrt streifen wir die Rosenhöhe, einen zur Künstlerkolonie gehörenden, historischen Park, dessen Eingang von den Löwensäulen gekennzeichnet ist, die einst das Haupttor der Ausstellung von 1924 der Künstlerkolonie waren.

In der Darmstädter Fasanerie des o.g. kunstsinnigen Fürsten, der das Gebiet seiner Leidenschaft für Fasane (deren liebevoller Zucht und anschließender Bejagung) widmete, stoßen wir auf das wirklich unübersehbare Denkmal für den Oberforstmeister Hartig. Schüler und Verehrer aus Deutschland, Frankreich und Polen spendeten diesen Obelisken zu Ehren eines Forstmeisters, der bereits damals an Nachhaltigkeit im Umgang mit dem Forst predigte. Die Inschrift: : „Hier im schweigenden Hain erhebt sich redend ein Denkmal, Dir, dess Beispiel und Wort Lehren uns waren und sind. Licht in des Wissens Nacht, und Nacht in gelichteten Wäldern, einend Natur mit der Kunst, schufst Du den Völkern zum Heil. Vor Jahrtausenden, als nur Wald den Erdball umgrünte, lebten in kräftiger Form riesenhaft Pflanze und Tier. Wo sein Segen nicht schwand, nur da ist Leben geblieben. Wo er gefallen, da herrscht Steppe und nacktes Gestein. Nachwelt ehre den Mann, der der Forste Gedeihen gefördert, denn er förderte so Leben und Heimat auch dir.“

Mit der letzten Brückenüberquerung haben wir 30 km bummeligen Rundweg geschafft und eine Tour voller Highlights hinter uns. Das Restaurant im Schloss ist uns zu anspruchsvoll für ein Eis. Als laden wir die Räder ins Auto (ein VW Sharan, der zwei E-Bikes und alternativ drei Hunde und Urlaubsgepäck transportiert) und probieren auf der Rückfahrt einen neuen Eissalon aus.

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