Eine Rezension aufgrund einer Rezension. Ich hätte dieses Buch sonst sicherlich nie gefunden. Also danke an meinen Vorrezensenten (was für ein Wort, gefällt mir gerade) Arcimboldis World.
Es ist ein Buch, von dem man möchte, das es unendlich viele Seiten hat. Dabei geht es gar nicht so sehr um die Handlung, sondern mehr um dieses schwebende, warme Gefühl, das die Worte verursachen. Wenn man liest, tut man genau das, wovon ein Stück des Buches handelt. Ganz im Hier und Jetzt zu sein und das, was man gerade tut, richtig zu tun. Und das fast perfekte Gefühl, das es erzeugt, wenn man genau das tut.
Eine ältere Frau und eine sehr junge. Beide vom Leben beschädigt. Beide gescheitert an dem Zwiespalt zwischen ihren Ansprüchen an sich selbst und den Ansprüchen der Welt an sie. Die eine unendlich zornig, die andere verbittert. Sie finden sich über den Weg der Selbstverständlichkeiten.
Es ist ein Text über das Loslassen, dann über das Zulassen. Und über den einfachen Weg dorthin. Der über das einfache Tun führt.
Liss führt ganz alleine einen Hof. Baut Kartoffeln an, hält Hühner, erntet Äpfel und Birnen – alte Sorten -, produziert Most, brennt Schnaps, erntet Trauben… Mit einfachsten Mitteln. Mit einem alten Traktor. Wie man es schon immer getan hat.
Sally, das Stadtkind, ist fasziniert. Entdeckt wie eine Birne schmeckt. Wie sie wirklich schmeckt. Entdeckt wie es ist, wenn man etwas einfach tut, weil und wann man es will, nicht wenn es gefordert wird. Und wie es sich anfühlt, wenn man es richtig macht. Wie gut die Anstrengung tun kann, es richtig zu machen.
Liss erfährt, wie es ist, wenn eine Schale zerbricht, vorsichtig von innen zerbricht.
Alles geschieht in seiner eigenen Zeit, in genau der Zeit, in der es geschehen kann. In der Zeit, die es braucht. Und der Weg durch diese Zeit ist voller wunderbarer Entdeckungen. Davon wie Dinge schmecken, wie sie riechen, sich anfühlen, wenn man sie wirklich bemerkt, wenn man hin sieht und hin fühlt. Birnen eben. Oder Regen.
Es ist ein Buch darüber, dass alles gut werden kann. Wenn man es nur lässt.
„Alte Sorten“ von Ewald Arenz, 2019, Dumont Verlag, ISBN 978-3-8321-8381-3
Ich hab das Buch auch gelesen. Wildgans Sonya hatte es mal vorgestellt. Ich kann dir ganz und gar beipflichten, obwohl ich nach den ersten Seiten fas aufhören wollte. Ich dachte, wie kann ein Mann so ein Buch über zwei Frauen schreiben und die Sprache von Sally war mir gerade am Anfang zu gekünstelt vulgär. Aber nach ein paar Seiten hat sich das gelegt und ich war voll drin. Habe mich die ganze zeit auch gefragt, wo das wohl handelt, weil es von der Beschreibung her sehr gut in meine neue Heimat Rheinhessen gepasst hätte, dann aber auch wieder in meine alte Heimat Franken… Jedenfalls kann ich es auch sehr empfehlen.
Ach – das freut mich ja sehr, dass Du nun auch Freude hattest. Vorrezensent – das Wort, gefällt mir auch. Ist es nicht schön, hat man ab und zu so eine Entdeckung, so ganz unverhofft. Wünsche Dir einen schönen Sommer!
Bestellt – danke für den Hinweis!