Für eine kurze Ewigkeit

Angeregt von Myriades Statuen Post heute früh.
Eine Hommage an alle wundervollen klassischen bildhauerischen Werke, die ich sehen und manchmal berühren durfte. Geschrieben vor einer kurzen Ewigkeit.

Für eine kurze Ewigkeit

Du bist schön, mein Freund –
wenn Nachmittagssonne spielt
mit den Muskeln unter deiner Haut
und dein Atem sanft dich erbeben lässt
von Kopf bis Fuß.
Wenn dein Gesicht vor dem meinen
zerbricht in ein Lächeln aus Jahren von Leben,
dann schmerzt mein Herz:
dies wird vergehen.

Und meine Seele sucht Trost
in den alten Palästen und schattigen Parks,
in den hallenden Schiffen der Kirchen und
entlang der Mauern der Plätze der Toten:
bei den Bildern aus Stein,
deren Schöpfer ihr Können zu Füßen legten
der vergänglichen Schönheit.
Einzufangen den Funken Leben
für eine kurze Ewigkeit.

Versenke mich
in das schamlose Begehren des Fauns
und spüre seine Hände auf meiner Brust,
bohre meine Finger zwischen die Zehen
von Davids Sandalenfuß,
zu folgen der Linie seiner Schenkel
bis zum Rand seiner Toga …

Seht die verführerische Anmut
des schwarzen Sklaven aus weißem Stein,
wie er sein Los trägt mit Würde
unter den Füßen eines Königs,
dessen verfallender Größe dem Künstler
zu schmeicheln nicht gelang.

Wandle unter Platanen durch den Hain,
gewidmet der ägyptischen Geliebten,
deren Augen und Mund
eine jede der Frauen dort trägt,
zu künden von der Macht der Liebe,
alles auszulöschen außer ihrem Bild.

Teile für einen Augenblick
den Triumph der Revolution –
in der Ekstase
des himmelerschütternden Schreis der Frau,
die das blutende Schwert in den Händen hält.
Nie wieder – wird ihr jemand dieses geben können.

Halte stumm Zwiesprache
mit dem pausbäckigem Engel,
der Wache hält seit Jahrzehnten
am Grab des zu früh geborenen Kindes.
Armer Engel: Flügelspitzen und Nase
halten nicht stand saurem Regen und Tränen,
vergossen in Vergeblichkeit.

Reibe mit wachsender Lust
die Bronze blank an Faustens Fuß,
mit geschlossenen Augen zu lehnen
an der Wand von Auerbachs Keller,
als wär ich dabei gewesen, als es damals geschah.

In der Dämmerung schleiche ich
um Zorn und um Wut,
meine Sinne umschmeicheln die bösen Buddhas
und ich teile ihren reinigenden Blick auf die Welt.

Dann – langsam,
lösen sich Bedauern und Bitterkeit
aus meiner Kehle,
und ich atme und ertrage es,
zu berühren mit meinem Wesen,
was lebendig ist.
Und doch –
es haftet ihm an der süßliche Geruch
zuckender Vergänglichkeit.
Und still und kalt
berühren Marmoraugen meine Seele.

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