Mein Wort des Tages: Laternenumzug

Heute gibt es bei uns die erste Gänsekeule des Jahres. Zu Ehren von St. Martin, oder? Martinsgans? Weiß das überhaupt noch einer?

Erinnerung beim Duschen heute früh: Laterne im Patschehändchen. Mit steifem Mantel und vielen Kindern und Eltern auf schmalem Gehweg. Aufregung wegen der Kerze in der Papierlaterne. Spezielle traditionelle Gesänge: irgendwas mit Labimmel, labammel? Angekommen auf dem Schulhof der Volksschule: Ein prächtiger Ritter mit rotem Mantel teilte diesen mit seinem Schwert und gab eine Hälfte dem Bettler zu seinen Füßen. Eine Gans wurde verlost. Mami gewinnt. Und ist super unglücklich. Die Gans kam frisch vom Bauernhof samt Kopf und allen Federn.

Gibt es noch Gegenden, wo heute noch Laternenumzüge stattfinden? Hier sicher nicht. Keine Chance für den Heiligen Martin (der im Übrigen nicht heilig war) im protestantischen Hessen und 80% Drittklässlern mit Migrationhintergrund.

Meine Volksschule war katholisch und Nonnen unterrichteten. Als Fleißkärtchen (noch so was Verstorbenes, oder?) gab es Bilder von blutenden Heiligen und wer Sonntag nicht zur Kommunion ging, war wohl in der Woche davor nicht zur Beichte. Also standen wir mit kleinen Zettelchen in schweißnassen Händen vor dem Beichtstuhl an, um dem Pfarrer zu erzählen, wie oft wir die Schwester gehauen hatten. OMG, was für einen Job der hatte. Wir waren ziemlich viele Kinder…

Aber ich schweife ab. Keine Ahnung, ob die protestantischen Kinder ihren eigenen Umzug hatten. Immerhin ist am Tag vorher Luthers Namenstag und das will ja auch gefeiert werden. Ist ja aber auch egal, weil die Kinder aus der anderen Kirche eh nicht in den Himmel kamen.

Zurück zur Frage der Gänse und der Laternen. Also, der Unheilige Martin (der später sogar Bischof wurde, aber eben nicht heilig) versteckte sich irgendwann in einem Gänsestall vor seinen Verfolgern. Warum, darüber streiten sich die Legenden. Angeblich wollte er nicht Bischof werden.

Der 11. November war früher aber auch das Ende des Wirtschafts- und Zinsjahres und der Beginn der Fastenzeit. So war man zwar wieder arm an Geld, aber wenn alles gut gelaufen war, war die Scheune voll und eine fette Gans im Stall. Das war allemal eine Feier wert. Mit Gänsebraten und Martinsfeuern auf den Feldern.

Und dann gab es da Lukas11,33 mit „Niemand zündet ein Licht an und setzt es in einen Winkel, auch nicht unter einen Scheffel, sondern auf den Leuchter, damit, wer hineingeht, das Licht sehe.“ Auf diesen Worten basierte die Predigt am 11. November und forderte die Menschen auf, dieses Licht auch hinauszutragen in die Welt. Hier kommen also die Laternen ins Spiel.

Nachdem wir diesen Tag nun wissenstechnisch halbwegs im Griff haben, bleibt mir nur „Guten Appetit“ zur Martinsgans zu wünschen.

Völlig unbeabsichtigt enthält dieser kleine Beitrag auch Erinnerungssplitter aus meiner katholischen Kindheit. Hat eigentlich nicht wehgetan. Und sie hörte bei unserem Umzug nach Hamburg auch recht abrupt auf, da war ich zehn. Und da, in der Diaspora, hat der Pfarrer mir auch noch die Hand gegeben, als ich gleich mit 16 aus dem Verein ausgetreten bin.

Aber St. Martin war schon schön: das weiße Pferd, der rote Mantel, all die brennenden und verbrennenden Papierlaternen… Schließlich gab es noch keine Fantasy und Katastrophen Filme im Fernsehen.


3 Gedanken zu „Mein Wort des Tages: Laternenumzug

  1. In Österreich gibt es unter anderen den entzückenden Brauch, dass am Martinstag von allen Kindergärten das „Laternenfest“ gefeiert wird. Da ziehen die kleinen Frösche mit selbstgebastelten Laternen durch die Straßen und singen „Ich gehe mit meiner Laterne und meine Laterne mit mir. Da oben da leuchten die Sterne, da unten da leuchten wir“. Ganz süß. Für die Gänse allerdings ist das ein verhängnisvoller Tag: die ihn überleben, werden dann zu Weihnachten geschlachtet …

  2. Also da wo ich her komme in Franken aber auch hier, wo wir schon lange wohnen, in Rheinhessen gibt es immer den Martinszug, bei dem die Kinder mit mehr oder weniger selbst gebastelten Laternen mit Leuchtdioden zur Musik der Musikfreunde durch die Gassen ziehen. Gans gibt es da keine aber Buweschenkel, das sind Hefegebäckteilchen und Rindswürste für die Eltern. Heute Abende auch wieder um 17 Uhr geht es los und ich spiele mit. Das von Myriade zitierte Lied ist dann auch dabei. Was die Heiligkeit betrifft, bin ich ganz bei dir.

  3. Ich vermute Martinsumzüge kann man in Hamburg und Umland eher suchen.
    Aber Laternenumzüge gibt es die ersten schon im September in Hamburg.
    In Hamburg-Altona/Ottensen gibts gerade rast jedes Wochenende welche und sonst sieht man viele Eltern Abends mal mit den Kindern so Laterne laufen.
    Als ich klein war, erschreckten wir beim Umzug immer die Kühe.
    Die fanden uns lärmenden Kinder und dann noch den Spielmannszug im Dorf so gar nicht witzig.
    Aber wir hatten Spaß.

    Gruß Ann-Kris

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